
Christiane hat wieder zu den abc.etüden eingeladen, bei denen es gilt, 3 vorgegebene Begriffe in einem Text mit maximal 300 Wörtern zu verpacken. Die Worte stammen dieses Mal von Ulrike und ihrem Blog Blaupause7. Die drei Worte lauten: Lautsprecher, orange, erschüttern.
Und hier kommt meine Etüde:
Er schließt die Haustüre auf und stellt seine nassen Schuhe in den Flur. Die wohlige Wärme des Drinnen umgibt ihn. Nach solch einem Spaziergang in der frischen Januarluft, ist ein Tee genau richtig. Er setzt Teewasser auf. Die Katze kommt und streicht um seine Füße. Ihr schwarzes glänzendes Fell bildet einen Kontrast zu seinen orangenen Wollsocken. Er mag Kontraste. Nachdem der Tee genug gezogen hat, setzt er sich auf seine Bank ins Wohnzimmer und schaut hinaus. Tee, der Blick nach draußen, die Frische der Natur noch auf der Haut, die Katze neben ihm auf der Bank, ihr Schnurren beruhigend gut. Das sind Momente, in denen er fest davon überzeugt ist, dass ihn nichts erschüttern kann. Diese Momente braucht es, um all dem standzuhalten, was das Leben hin und wieder fordert. Von ihm und all den anderen 8 Milliarden Menschen da draußen. Der Tee wärmt, sein Duft unvergleichlich gut. Er geht zu seinem Plattenspieler, den er vor Kurzem aus dem Dachspeicher hervorgeholt hat, und legt eine Platte auf. Es gibt Lieder, die begleiten durchs Leben. Der Lautsprecher lässt Töne erklingen, die sich mit seinen Erinnerungen mischen. Er sieht sich tanzen, als 17-jähriger, die Haare lang, der Pulli weit, die Bewegungen suchend, er sieht sich als 25-jähriger, mit dem VW Bus eines Freundes in Frankreich, die Gitarre im Gepäck und diese Töne spielend, er sieht sich als 40-jähriger, die Haare längst kurz, Diagnosen in sich tragend und genau dieses Lied als Trost erlebend, er sieht sich als 60-jähriger, die Kinder groß, das Haar lichter, vieles geschafft und das Lied noch immer an seiner Seite. Nein, er will nicht mehr 17 sein, keine 25, 40 oder 60. Er will das sein, was er ist. Ein Mann, der spürt, dass das Leben endlich ist. Diese Endlichkeit schenkt dem Augenblick seine große Schönheit.
Wunderbar, wie eine Melodie ein ganzes Leben begleitet – und vielleicht sogar darüber hinaus.
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Ein schöner Gedanke, dass die Melodie uns auch darüber hinaus begleitet.
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Ich entnahm es der Geschichte.
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Das ist so schön, so rund – ich lächle und nicke und streichele die Katze. Mir fehlen die Worte. 😍🐈
Danke dir.
Abendgrüße 😁🍷🎶👍
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Lieben Dank. Ohne dich gäbe es diese Geschichte gar nicht 🙂
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Eine schöne Etüde. Ein wenig, wie eine Meditation, die zum Innehalten aufrucht.
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Danke, liebe Katharina.
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Sehr ansprechend, die weite-Pullover-, Freestyletanz- und Gitarrenerinnerungen haben mich gleich gehabt und auch, dass ich ebenfalls nicht in eines meiner früheren Lebensjahrzehnte zurückwollte, auch wenn einiges jetzt rückschrittlicher wirkt, als ich es in den 70er oder 80er Jahren erlebt zu haben glaube.
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Ich denke an vieles sehr gerne zurück, doch da geht es mir wie dir, ich möchte – trotz allem Wunderbaren der jeweiligen Phasen – nicht mehr zurück. Dazu ist das Jetzt zu einladend. Diese Jahre gehören zu uns, prägten uns und machen uns zu dem, was wir nun sind. Und die Reise geht noch weiter…
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Ich/wir haben auch so ein Musikstück, das uns seit Jahrzehnten begleitet und immer wieder schöne Erinnerungen abruft: Petit fleur von Chris Barber`s Jazz Band.
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Schön, dass wir solche Lebensbegleiter haben.
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Eine feine Geschichte, liebe Marion!
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Danke, liebe Bruni.
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