ABC-Etüde

Gerne habe ich mich wieder einmal von Christiane zu den ABC Etüden für die Textwoche 46/47 2021 einladen lassen. 
Dabei gilt es, drei vorgegebene Wörter in einen Text mit maximal 300 Worten einzubauen.
Die diesmalige Wortspende stammt von Heidi mit ihrem Blog Erinnerungswerkstatt und lautet:
Museum / biografisch / erinnern

Hier kommt meine Etüde:

Es ist Sonntag. Die Blätter verfärben sich, viele ruhen schon auf dem Boden. Sie mag das Geräusch, das ihre Füße beim Berühren des Laubs verursachen. Herbstmusik, so nennt sie es leise. Wenige Leute sind heute hier. Sie schlendert und bleibt vor einer Skulptur stehen, die den Namen „Die Lesende“ trägt. Jemand hat Herbstastern auf den Kopf der Skulptur gelegt, als trage die lesende Frau einen Blumenkranz.
Wie gerne ist sie hier. Dieses Museum im Freien, das eine Wohltat für ihre Sinne ist. Es ist einer ihrer Lieblingsorte. Zu allen Jahreszeiten kommt sie her. Kunst und Natur reichen sich an diesem Ort die Hand.
Sie kann sich daran erinnern, wann sie das erste mal hier war, es war als Kind mit ihren Eltern. Seitdem ist sie häufig hier. Die Wege kennt sie auswendig, doch gibt es immer Neues zu entdecken.
Die Frau betritt einen der Räume, die sich in die Natur einbetten, und betrachtet die dortigen Gemälde an den Wänden. Die Bilder des Künstlers sind biografisch angeordnet, das, vor dem die Frau nun stehen bleibt, malte er mit 80 Jahren. Es zeigt eine alte Frau, die aufschaut. Sie kennt das Bild schon, es zieht sie immer wieder in ihren Bann. Es ist der Blick der gemalten Frau. Als hätte die alte Frau alle Erfahrungen der Welt eingeatmet und mit ihren Augen festgehalten. Vielleicht muss jemand selbst viel erlebt haben, um so malen zu können, denkt die Frau beim Betrachten.
Schließlich löst sie sich von dem Bild und geht draußen weiter. Sie spaziert zum See, der sich mitten auf dem Museumsgelände befindet, und setzt sich auf die Bank. Die Rosen, die die Bank umrunden, sind welk, doch bereit, im nächsten Frühjahr erneut zu blühen. Die Frau atmet die Luft tief ein. Sie ist glücklich, einfach nur glücklich.

ABC-Etüde

Christiane hat wieder zu den abc.etüden eingeladen, wie immer gilt es 3 Begriffe in einen Text mit maximal 300 Wörtern zu verpacken. Die Worte stammen diesmal von Judith mit ihrem Blog Mutiger leben und lauten: Schmutzfink, fabelhaft, mopsen.

Hier kommt meine Etüde:

Er schlendert den Weg entlang. Sein Mantel schenkt ihm Wärme und seine Hände fühlen die Frische des Draußen. Das Geräusch des raschelnden Laubs mag er, so dass er keinen Bogen um die vom Wind angehäuften Blätterhaufen wählt, sondern mitten hinein geht. Ein kleines fabelhaftes Herbstkonzert für seine Ohren. Im Inneren applaudiert er.

Er sucht nicht den asphaltieren Weg der Straße, vielmehr laden die Wege am Rand ihn ein. Taunasses Grün zeigen die Grasbüschel. Die Blätter angemalt mit all den bunten Farben dieser Jahreszeit. Seine Schuhe sind nass und dreckig. Das macht ihm nichts. Er denkt an seine Eltern, die ihn vor vielen Jahren, als seine Füße noch in kleinen Schuhen steckten, niemals mit: „Wie siehst du denn aus?“ erschrocken begrüßten. Nie nannten sie ihn ‘Schmutzfink‘, wenn er an solchen Tagen heimkam, die Schuhe meist lehmverschmiert. Dies sei ein gutes Zeichen, pflegte seine Mutter zu sagen und sein Vater wusch die Schuhe im Keller sauber, während er in der warmen Badewanne lag. Heute macht er selbst seine Schuhe sauber. Das Naturnahe ist ihm geblieben. Gedanklich schickt er seinen Eltern ein ‘Danke‘. Er wünscht, er hätte es ihnen häufiger gesagt. Heute nehmen die Wolken seinen Dank auf. Das macht ihn nicht traurig, er fühlt sich verbunden mit dem, was war. Vielleicht ist es der Herbst, der ihm diese Zufriedenheit schenkt. Diesen Schimmer am frühen Abend gibt es nur zu dieser Zeit.

Weit entfernt sieht er das warme Licht in den Häusern. Hinter all diesen Fenstern lebt so viel Leben. Es wird geredet, geschwiegen, getröstet, gelacht und geweint. Abendbrottische werden gedeckt. Da wird eine Schwester ihrem Bruder die roteste Tomate vom Teller mopsen, wie seine Schwester es einst mit ihm machte. Da wird gebetet, dort wird aneinander vorbeigelebt. Und irgendwo wird gehofft und eine Hand der anderen gereicht, mitten in diesen Herbstabend hinein.