Außerhalb der Reihe

Ich glaube, ich werde Krieg nie verstehen.
Das ist so ein Morgen, da schreibe ich, um meine Gedanken zu sortieren. In den letzten Tagen habe ich, wie vermutlich viele von euch, die Nachrichten verfolgt und gehofft, dass eine friedliche Lösung möglich ist. Russland, Putin, Ukraine, Luhansk, Donezk, Minzer Abkommen, Völkerrecht, Sanktionen, viele Wörter hörte ich. Ich las, redete, schaute Youtube Videos dazu, sah mir die Weltkarte an und ließ mir erklären, wo der bereits lang vorhandene Konflikt zwischen Russland und der Ukraine herkommt. Und dann las ich heute Morgen, dass Russland angegriffen hat.
Ich verstehe Krieg nicht.
Manchmal kommt es mir vor, als sitzen da Menschen oder ein Mensch mit Spielzeugfiguren und spielt Krieg. Ich verstehe das nicht. Vielleicht bin ich naiv, doch ich denke dann, wir sind doch alle Menschen, hineingeboren in diese eine Welt. Diese Welt, die wir uns im Laufe der Geschichte aufgeteilt haben in Ortschaften, Gebiete, Städte und Dörfer, in Grenzen, mit Regeln, mit Sprachen und über alle Grenzen hinweg mit viel Miteinander. Denn es bleibt dabei, wir alle sind Menschen, wir alle lachen, weinen, lieben, sorgen uns, schauen nachts die Sterne an, küssen geliebte Menschen und wollen ein glückliches Leben. Da ist Vieles, was uns eint.
Ein komischer Morgen. Heute ist Weiberfastnacht, so nennen wir diesen heutigen Tag im Rheinland. Auch wenn es wegen der Corona-Regeln wieder kein Karneval wie in vielen anderen Jahren sein wird, werde ich gleich zu einer Schule gehen, wie jeden Donnerstagmittag, und vermutlich werden viele Kinder verkleidet sein. Ich frage mich, ob ich mit ihnen zu fröhlicher Musik tanze. Ich frage mich, ob die Kinder den Militäreinsatz Russlands in der Ukraine mitbekommen haben, von ihren Eltern am Morgen gehört, beim Packen des Pausenbrotes. Ich kann es in andere Worte kleiden, doch es ist Krieg. Dieses unschöne Wort. Denn ich möchte viel lieber über Frieden schreiben. Ich wünsche mir Weltnachrichten, die von Menschen berichten, die in Frieden leben. Warum schaffen wir Menschen das nicht?
Ja, ich finde Konflikte wichtig und richtig, doch finde, dass sie niemals mit Gewalt zu lösen sind, niemals mit Waffen.
Nein, ich habe keine Lösung für diese Konflikte, die ich vermutlich nie ganz verstehen werde.
Eine Bekannte, die ich vor vielen Jahren traf, lebt in der Ukraine. Vorgestern schrieb ich ihr und fragte, wie es ihr und ihrer Familie gehe. Sie klang hoffnungsvoll. Gleich werde ich ihr wieder schreiben.
Ein trauriger Morgen. Die Sonne scheint, die ersten Krokusse blühen im Garten wie ein Versprechen. Die Welt dreht sich weiter. Was kann ich machen? Den kleinen Frieden im Alltag und im Umfeld leben? Meine Stimme bei Demonstrationen erheben? Reicht das?
Ein erschreckender Morgen. Und doch ist der Himmel blau. Irgendwo ist immer Krieg auf der Welt. Es bleibt dabei.
Ich werde Krieg nie verstehen.

35 Gedanken zu „Außerhalb der Reihe

    • Ich denke gerade an Hilde Domins Worte „Wer es könnte die Welt hochwerfen dass der Wind hindurchfährt.“ So viel Sturm in den letzten Tagen, könnte er doch diese komische erschreckende Denkweise gerade rücken.

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  1. So geht es mir auch. Daß es plötzlich „Krieg“ heißt, hört sich so unglaubwürdig an, kommt mir vor wie eine Fatamorgana. Ich glaube, da wird etwas fehlgesteuert, fehlgedeutet. Gedankenspiele, Kriegsspiele… führten dazu. Die ganze Wahrheit kann das nicht sein. Und Putin war nicht der Angreifer.

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    • Ich verstehe dich gut, all diese Gefühle, die in uns sind, Ohnmacht, Trauer, Wut, Unverständnis… wie gut tun da Nachrichten von Menschen, die sich unterstützen, Menschen, die zur Grenze gefahren sind, um Ukrainer aufzunehmen, Zusammenhalt bei Friedensdemos, all das sind die kleinen Lichtblicke…

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  2. Ich habe vorhin geschrieben, dass ich ein politischer Naivling bin. Dazu stehe ich. Diese Schachspieler=innen habe ich noch nie verstanden, auch wenn mir schon klar ist, dass es oft um Rohstoffe geht oder um die Macht, wie in diesem Fall. Putin wünscht sich wohl die alte Sowjetunion zurück … aber eben … wer bin ich schon, um das zu verstehen? Mein Mitgefühl all den Menschen, die davon betroffen sind.

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  3. Alles, was ich zu entschlüsseln glaube, ist das Streben um Macht – und dabei hat im Krieg noch nie irgendeine Seite gewonnen. Denn jede Seite verliert unzählige Menschenleben, auch, wenn vielleicht Gebiete „dazugewonnen“ werden.
    Ich habe noch nie nachvollziehen können, warum wir Erdlinge überhaupt glauben, einen Anspruch auf irgendetwas zu haben? Wir haben diesen Planeten nie geschenkt bekommen, folglich gehört er uns nicht. Diese Erde ist wunder-wunder-wunderschön – und was machen wir daraus? An viel zu vielen Plätzen erschaffen Menschen die Hölle auf Erden.
    Die Grenzen aller Länder sind sooft willkürlich und politisch gezogen, wir können diese vor allem auch so deutlich auf dem Kontinent Afrika erkennen.
    Wir leben als unterschiedliche Nationen, das ist so und daran wird sich auch nichts ändern. Wir haben unsere Bräuche, Religionen, Ansichten, Traditionen, Gepflogenheiten, unsere Sprachen, unser Aussehen, usw.
    Uns eint allerdings das MENSCHsein – und hierin ist keiner besser oder schlechter.
    We are ONE, so meinte einst Desmond Tutu. Und ich verstehe dieses Einssein, ich fühle es.

    Ich bin immer wieder für Ethikunterricht an den Schulen! Ich meine, dieser müsste weltweit stattfinden. Und es sollte auch dringend gewährleistet sein, dass jedes Kind, egal, wo es geboren wird, Zugang zu Schulbildung erhält.
    Kinderseelen sind so empfänglich, wir müssen früh anfangen, ihnen Gutes vorzuleben. Wir müssen glaubwürdig sein … Ich erlebe täglich, was es heißt, wenn Kinder den Ungeist der Erwachsenen vorgelebt bekommen.
    Daher ist mir auch die Herzensbildung so wichtig. Ich glaube, viele Politiker haben so eine Bildung nie genossen.
    Man muss roh sein, um derart feindselig und vernichtend agieren zu können …

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  4. Dass man von heute auf morgen ukrainischen Bekannten doch sehr eindringlich einen spontanen Besuch hier nahelegen würde, war bis vor kurzem nur Theorie. Unterschwellig in einem dumpfen Bauchgefühl, spätestens seit Dezember, wurde dieser Gedanke aber immer stärker.

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  5. Es ist Krieg in Europa. Und für uns hier in Wien sogar erschreckend nahe. In den Nachrichten wurde uns klar gemacht, wie nahe die Ukraine an Wien dran ist. Von Wien zur Ukrainischen Grenzstadt Uzhgorod sind es 589 km, Bregenz, das am anderen Ende unseres kleinen Landes liegt, ist 619 km entfernt.
    Schon der Krieg in Ex-Jugoslawien war in Österreichs Nachbarschaft. Dennoch war es ein eher innerstaatlicher Konflikt. Zumindest bis die Nato eingriff. Aber im Kreml saß Boris Jelzin und die zerfallene UdSSR hatte begonnen sich eine neue Ausrichtung zu geben.
    Jetzt unter Putin heißt es zurück zur alten Macht? Wir beten, dass er an der EU Grenze halt macht. …. Biden hat leider vermutlich recht, dass ein Weltkrieg nicht auszuschließen wäre, falls die USA Truppen schickt. Seinen Miltärstrategen zu glauben erscheint uns logisch. Aber wie weit ist Putin bereit zu gehen? ….. Wir haben Angst, wie noch nie von einem Krieg mehr als nur wirtschaftlich und als Beobachterin betroffen zu sein. Obwohl das bereits zu viel ist.
    Das Leid der Menschen in der Ukraine und deren Angehörigen in der Diaspora ist bereits jetzt unermesslich, wie bei allen von Kriegen direkt betroffenen. Die Folgen sind Generationen spürbar. Welch Wahnsinn.

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  6. Wenn du dir die Geschichte der Ukraine anschaust, dann wirst du erkennen, dass dieses Land mit seinen Menschen immer zwischen größeren und kleineren Ländern hin und her geschoben wurde. Und diese Geschichte wiederholt sich jetzt. Aber es hätte auch ohne Krieg gehen können. Ja. Und da fehlt ein starkes Europa. Ein Europa das innerlich nicht einmal mit sich einig ist. Dazu kommt, dass sich viele große Europäische Staaten immer in den Schutzmantel der USA verkriechen. Ich bin der Meinung, dass es den meisten westlichen Staaten mitsamt der Großmacht USA nur um die wirtschaftliche Macht geht. Nicht um Menschen. Da hat man jahrelang Russland und auch die Ukraine einfach links liegen gelassen. Großmaulig mit der NATO gewunken und gemeint mit Geld lässt sich alles regeln. Nichts anderes sind die angekündigten Sanktionen. Geld alleine ist aber nur ein Teil der Politik. Russland wird den Krieg beenden und der Ukraine, wie auch den westlichen Staaten diktieren wie es weitergehen soll. Ist meine Meinung. Ciao, Ernestus.

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  7. Nein, es ist nicht zu verstehen. Und wir sollen/müssen weitermachen wie bislang. Was mich neben allem zunehmend umtreibt, ist die Frage, welche Welt wir unseren Kindern hinterlassen, ob wir genug Vorbild waren, was wir versäumt haben, wir deren Welt in 30 Jahren aussieht. ‚Rosig‘ ist nicht der Begriff, der mir dazu einfällt.
    Fragen über Fragen.
    LG dennoch und danke für deine Gedanken.

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  8. Wie soll man Krieg verstehen, wenn man in eine Welt geboren wurde, in der es noch nie einen Krieg gegeben hat. Die Menschen die Krieg in Deutschland bewußt erlebt haben, gibt es in meiner Familie nicht mehr . Wer also soll mir die Frage, was ist Krieg erklären. Diese ganze Generation, die es nie erlebt hat , steht nun unvorbereitet vor einer Situatiom die sie nicht versteht. Was ich verstehe ist Frieden und den möchte ich behalten.
    Ich wünsche dir einen schönen Start in die neue Wochel und eine friedvolle Zeit.
    Lasst uns alle in Frieden leben…….
    Werner

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