ABC-Etüde

Christiane hat zu den abc-Etüden eingeladen, wie immer gilt es 3 Begriffe in einen Text mit maximal 300 Wörtern zu verpacken. Die Worte stammen diesmal von Uli mit ihrem Blog Café Weltenall und lauten:

Quelle / griesgrämig / stöbern.

Hier kommt meine Etüde:

Sie geht dem Dezember entgegen. Sie möchte ihren Schritten nicht voraus sein, noch ist November und doch liegen ihre Gedanken schon im nächsten Monat. Vielleicht liegt es daran, dass der Adventsmonat wartet. Der Blick in die Fenster der Straßen sprechen bereits davon. Die Botschaften, die wortlos aus den Fenstern klingen, sind wie eine Zusage, dass dieser Monat Wohliges schenken wird. Ein Monat, der selbst die griesgrämigen Menschen erweichen wird.

Als sie Zuhause ist holt die die Weihnachtskiste von dem Dachboden. Sie trägt sie runter, stellt sie auf dem Holzboden des Wohnzimmers und setzt sich mit ihrem Sessel daneben. Weihnachtskisten laden zum Stöbern ein, nicht nur zum Dekorieren. Sie sind immer wie ein Eintreten in die eigene Vergangenheit. Sie packt jedes in Seidenpapier gewickelte Teil aus, hält es in den Händen und betrachtet es eine Weile. Mal ist es ein gebastelter Stern ihres Sohnes, dann ein gefilzter Engel ihrer Tochter, eine kleine Hirtenfigur, die ihr Mann einst schnitzte und die erste gemalte Weihnachtspostkarte ihrer Enkelin. Ein aus Pappmache hergestellter Wichtel, kaum als solcher zu erkennen und ein Tannenbaum aus Glas, den sie in Costa Rica entdeckte. Jeder Gegenstand erzählt seine Geschichte, die sie längst kennt, doch jedes Jahr aufs Neue sprechen lässt. Ihre ganze Lebensgeschichte ließe sich mit dieser einen Kiste erzählen, denkt sie, während sie das nächste Teil auswickelt. Diese Kiste ist eine Quelle an äußeren und inneren Schätzen.

Würde jemand an ihrem Haus vorbeigehen und hineinschauen, er würde dort eine etwa 80-jährige Frau sitzen sehen, kleine Gegenstände um sich verteilt und ein Lächeln in ihrem Blick und auf ihren Lippen, es ist, als lächle sogar ihr krauses graues Haar. Würde jemand dort vorbeigehen, er würde erahnen, dass wir nicht nur in dem Moment leben, immer ist das Gestern dabei und der Morgen wartet wie ein sanftes Versprechen.

7 Gedanken zu „ABC-Etüde

  1. Ob der Advent heutzutage auch noch den griesgrämigsten Menschen erweicht, bezweifele ich zwar, aber das soll nun deine Etüde nicht schmaäern, die so herzerwärmend ist. Danke dafür und herzliche Grüße
    Ulli

    Gefällt 5 Personen

  2. Ja, rundum wohltuend ist deine Geschichte, liebe maribey, danke dafür. Da sieht man, wie ausgehungert wir nach hübschen Märchen sind. Denn dass eine 80jährige alleinlebende Frau heute das Morgen erwartet wie ein sanftes Versprechen, gehört wohl eher in den Bereich des Märchenhaften. Aber wer weiß. vielleicht geht ja an Weihnachten ihre Tür auf, und ihre erwachsenen Kinder bringen frische Luft und gute Laune mit und die lieben Kleinen singen ihr ein „O du fröhliche“. Nur aufpassen, dass die erlaubte Besucherzahl nicht überschritten wird.

    Gefällt 3 Personen

  3. Pingback: Fazit Textwochen 47.48.20, willkommen Adventüden 2020! | Irgendwas ist immer

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