
Christiane hat in ihrem Blog wieder eine Schreibaufgabe gestellt. Drei Wörter, diesmal von einer Wortspende von kommunikatz, sollen in einen Text mit maximal 300 Wörtern eingebaut werden.
Die Wörter lauten: Pilze, traurig, schlafen.
Und hier kommt meine Etüde:
Milde Oktobersonne wärmt seine Haut. Er fühlt sich wie die gerade begonnene Jahreszeit, nicht mehr frisch, doch noch immer die ureigensten Farben verstreuend. Er trägt seine Patina, sein Gesicht spricht davon und sein Inneres. Der wievielte Herbst ist es, den er bewusst erlebt? Als Kind waren ihm die Jahreszeiten egal, sie waren einfach da, ohne dass er sie als solche wahrnahm. Er hinterfragte sie nicht. Heute nimmt er dankend an, was sie schenken. Die Walnüsse, jedes Jahr aufs Neue. Die Pilze im Wald, die er sammelt, wie seine Tante es ihn lehrte. Das Geräusch des Laubs unter seinen Füßen. Geröstete Kastanien. Zeit, die Lieblingsmütze aus dem Schrank hervorzuholen. Es ist keine Jahreszeit, um traurig zu sein. Der Herbst tröstet in einer sanften Sprache. Er ist unaufgeregter als der Sommer. Doch er weist seine Schönheit und seinen Glanz auf, nicht grell, doch wärmend und vertraut.
Das Licht am Morgen lädt zum Hinsehen ein. Am offenen Fenster reckt er sich. Dann brüht er Kaffee auf und beginnt sein Tageswerk. Mittags entzündet er ein Feuer im Ofen. Er kocht sich eine Suppe. Am Nachmittag stimmt er seine Geige und spielt für sich und seine Katze. Manchmal holt er sein Rad aus dem Schuppen und fährt zu Freunden, sitzt auf deren Eckbänken in den Küchen oder im Windschatten auf einer Terrasse. Jeden Tag liest er in einem Buch. Die Lesezeichen verschwinden. Er hat aufgehört, nach ihnen zu suchen. Es finden sich Neue. Abends nimmt er den Füllhalter und schreibt, was der Tag ihm schenkte. Meist ist es mehr als er denken würde, wenn er es nicht aufschreiben würde. Wenn er sich dann schlafen legt, ist sein Kissen ruhig. Die Geräusche des Ortes verstummen. In seinen Träumen will er niemand anderes sein. Er möchte genau das sein, was er ist, ein Mann mitten im Herbst.
Ach, schön. Ich möchte diesen Mann gerne kennenlernen, der seiner Katze auf der Geige vorspielt … und in der Gegenwart des Herbstes lebt. Bereichert mich, deine Etüde, danke!
Ganz herzlich in deinen Abend
Christiane :-D
LikeGefällt 5 Personen
Danke für deine Worte, die mich erfreuen. Ich würde dir ja gerne verraten, wo der Mann lebt, so zum Kennenlernen, doch ich weiß es nicht recht. Vielleicht hören wir ihn leise spielen… :)
LikeGefällt 4 Personen
So schön ge- und beschrieben! Du charakterisierst mit wenigen Worten einen sehr spannenden Menschen, da muss ich Christiane zustimmen. Und diese durchweg positive und gar nicht melancholische oder morbide Perspektive auf den Herbst finde ich sehr erfrischend und beruhigend.
LikeGefällt 3 Personen
Lieben Dank für deinen Kommentar und natürlich für die Wortspende.
LikeGefällt 1 Person
Wie schön, wenn man so in sich ruht! Eine ruhige und doch bewegende Etüde!
LikeGefällt 2 Personen
Schön, dass du es so liest. Danke!
LikeGefällt 2 Personen
Pingback: Schreibeinladung für die Textwochen 41.42.20 | Wortspende von Werner Kastens | Irgendwas ist immer
Feines Herbstprosapoem liebe Marion. Ein kleiner Text zum immer wieder lesen und verinnerlichen…
Ja. Genau so ist der Herbst (des Lebens), nämlich ganz wundervoll!
Herzliche Morgengrüße vom Lu
LikeGefällt 1 Person
Welch feiner Kommentar, danke.
LikeGefällt 2 Personen
Gerne *freu*
LikeGefällt 1 Person
Bin eingetaucht in Deine wunderschöne Herbststimmung und habe mich auch gleich in den Mann mitten im Herbst verliebt.
LikeGefällt 2 Personen
Dann freue ich mich gleich doppelt, dass er da aus der Feder gesprungen ist. : )
LikeGefällt 1 Person
Ich mag ihn, deinen Mann im Herbst. Er ruht in sich und weiss , dass es gut so ist.
LikeGefällt 1 Person
Wünsche und Träume hat er hinter dich gelassen. Er braucht sie nicht mehr, genügt sich selbst.
LikeGefällt 1 Person
Und wenn er Träume hat, dann sind sie überschaubar und leicht, es muss nicht das große Ganze sein, das Zufriedene vor der Haustüre reicht ihm.
LikeGefällt 1 Person
Das in-sich-ruhen ist so wertvoll, wie ich finde.
LikeGefällt 1 Person
Ein rundherum sympathischer Text und ein Mann von attraktiver Selbstgenügsamkeit!
Herzlichen Dank für dieses „Kennenlernen“ ! :-)
LikeLike
Schön, dass ihr ihn kennen gelernt habt, also gelesen habt : )
LikeGefällt 1 Person