Frankfurter Buchmesse – Tag 4 -Die Literaturgala

Am Abend fand einer der Höhepunkte der Buchmessetage statt: die Literaturgala. Thea Dorn („Das Literarische Quartett“) und Denis Scheck („Druckfrisch“) moderierten den Abend.

Der preisgekrönte britisch-indische Schriftsteller Sir Salman Rushdie war an diesem Abend zu erleben. Er wird am Sonntag mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2023 ausgezeichnet. Der Besuch der Literaturgala ist sein einziger öffentlicher Auftritt bei der Buchmesse. Seit dem Angriff auf seine Person im Sommer 2022 hat Salman Rushdie nur wenige öffentliche Auftritte wahrgenommen. Es war spürbar, wie bewegt das Publikum über seinen Auftritt war.
In seinem Buch „Victory City“, ein epischer Roman über Macht und Liebe, geht es darum, was es bedeutet, ein Mensch zu sein.
Salam Rushdie hat kürzlich in einem Interview zur 75. Frankfurter Buchmesse die Bedeutung der Buchmesse als Ort des demokratischen Austauschs beschrieben, was ich gerne hier teile: „Die Frankfurter Buchmesse ist eines der wichtigsten kulturellen Foren in der westlichen Welt. […] Ihr Einfluss besteht gerade in dem freien Austausch von Ideen zwischen vielen Kulturen durch Bücher. Ein solcher Austausch ist für den sozialen Wandel und die Demokratie unerlässlich.“
Auf die Frage, wie er – nach der Attacke auf sein Leben im letzten Jahr – mit Angst umgehe, antwortete er, er sei mit der Angst nicht erst konfrontiert seit dem letzten Jahr, sondern er kenne diesen Zustand seit über 30 Jahren. Man könne mit der Angst nur so umgehen, dass man sie in ein kleines Kästchen verschließe und in der Ecke eines Zimmers stelle und sich den Sorgen und Nöten des Tages zuwende und diesen Tag dann genießen könne, anders würde es nicht gehen.
Auch sagte er: „Literatur kann Probleme nicht lösen, doch sie kann sie darstellen und beleuchten.“
Die Funktion von Literatur, so Salam Rushdie, sei in Friedens- wie in Kriegszeiten dieselbe, „es gehe darum, Schönheit in die Welt zu bringen, Schönheit zu erzeugen, Freude zu spenden.“

Thomas Hettche sprach zu seinem Buch „Sinkende Sterne“, das bereits gestern in meinem Bericht auftauchte.
„Literatur ist keine Antwort, es ist eine Frage.“, so Thomas Hettche.
Herrlich amüsant sind Versprecher, wie ich finde, so sagte Thomas Hettche, in dessen Roman auch Rilke auftaucht, er sei im Grab von Rilke gewesen. Gut, dass Thea Dorn nachfragte, denn natürlich war Thomas Hettche am und nicht im Grab von Rilke. Zum Glück, sonst könnten wir dieses Buch nun nicht lesen.

Erneut konnte ich Cornelia Funke erleben, die ihr Buch “Tintenwelt 4. Die Farbe der Rache“ wie auch ihre anderen Bücher nicht nur geschrieben, sondern auch illustriert hat. Wieder hörte ich ihrer zauberhaften Art und ihren feinsinnigen Gedanken gerne zu.
Als Kind hat sie Bibliotheken kennengelernt und entdeckt, dass es dort flüsternde Bücher gebe, die viele Fenster und Türen hätten.
Denis Scheck bezeichnete sie während des Gesprächs als „Literarische Herbergsmutter“, da sie jungen Künstler*innen auf ihrem toskanischen Gutshof Unterkunft bietet und ihnen Arbeitsräume zur Verfügung stellt. Sie erzählte, dass sie das Zusammenkommen mit den Autor*innen, Illustrator*innen und Musiker*innen sehr möge. „Ich kann mir kein schöneres Leben vorstellen“, so Cornelia Funke.
Zum Thema Rache sagte sie: „Rache verneint alle Farben des Lebens.“
Auf die Frage wie das Böse in die Welt komme, sagte sie:
„Ich glaube und ich hoffe, da bin ich nicht zu optimistisch, dass all das, was Böse in uns wird oder zerstören und verletzen möchte, etwas Verletztes in uns ist. Etwas, das zerbrochen ist und dass, wenn wir heil sind und wenn wir uns auf die anderen, auf die Welt, auf die Schönheit und auf das Licht der Welt einlassen, diese zerbrochenen Dinge heilen können und wir das Böse dadurch beherrschen und verdrängen können.“ Und ganz leise und zart fügte sie hinzu „Vielleicht irre mich da auch.“
Ich hoffe, sie irrt sich nicht.

Der Historiker Sir Christopher Clark sprach zu seinem Sachbuch „Frühling der Revolution. Europa 1848/49 und der Kampf für eine neue Welt“. Neben Romanen und Kinderbüchern gibt es natürlich eine Menge Sachbücher auf der Buchmesse und wie wichtig, dass auch eines auf dieser Gala Raum findet.
Christopher Clark sagte: „Es war die weiblichste Revolution der Gesichte, die Frauen waren da überall vorhanden.“
Danach hätten die Männer leider wieder die Macht übernommen und die Frauen hätten nicht in die „Motorräume“ gedurft, die sie in Schwung gebracht hätten, doch sie waren bedeutsame Zeitzeuginnen und schrieben darüber.

Auch auf dieser Literaturgala war deutlich, wie bei der gesamten Buchmesse, dass es neben den aktuellen Büchern der Schriftsteller*innen auch um die großen politischen und gesellschaftlichen Verwerfungen unserer Zeit und um die Herausforderungen für die Zukunft geht.

So kam nun der im Exil lebende iranische Schriftsteller Amir Gudarzi auf die Bühne.
Amir Gudarzi hat mit seinem Buch „Das Ende ist nah“ einen Roman über Fremdheit und Außenseitertum, über Mut, die Macht der Sprache und Liebe geschrieben. Das Buch schenkt einen Einblick in das, was Menschen auf sich nehmen, wenn sie flüchten.
Er sprach darüber, wie er die Freiheitsbewegung im Iran vor zwanzig Jahren und heute erlebe.
Er habe strukturelle Gewalt vom Regime und auch strukturelle Gewalt als Asylsuchender erlebt.
Ein Mensch mit einer bewegten Geschichte.

Als er die Bühne verließ und Lizzie Doron, die israelische Schriftstellerin und Friedensaktivistin, auf die Bühne kam, umarmten die beiden sich.
Thea Dorn: „Das geht wahrscheinlich nur auf der Buchmesse, dass sich ein iranischer Exilautor und eine israelische Autorin umarmen.“

Lizzie Doron erzählte bewegt davon, dass sie bis aufs Mark erschüttert sei über den Angriffskrieg der Hamas auf Israel.
Sie hielt ein Bild hoch von den von den Hamas entführten Kindern.
Lizzie Doron sprach viel über die Situation in Israel. Sie wurde als Friedensaktivistin befragt und auch als Autorin. So wurde auch über ihr Buch „Nur nicht zu den Löwen“ erzählt.
Auf die Frage „Ist there any hope?“ sagte sie: „I can`t stop dreaming of peace“ und wir sollten nicht aufhören, uns dafür einzusetzen.

Der Abend wurde beendet „mit der Kraft und der Klugheit der Literatur“, indem Thea Dorn und Denis Scheck beide Passagen aus Büchern vorlasen, die zu der aktuellen Situation passen.
So las Thea Dorn eine Passage von Heinrich Mann vor und Denis Scheck eine Passage aus dem Buch von Richard Ford „Valentinstag“, in dem es um die Bedeutung der Literatur geht.
Es war inmitten all der aktuellen Situation, die viel Raum in den Gesprächen fand, ein Fest der Literatur.

Es grüßt euch aus Frankfurt,
Marion

P.S.: Morgen berichte ich euch von meinem letzten Tag auf der Buchmesse, dem Buchmessensonntag.

10 Gedanken zu „Frankfurter Buchmesse – Tag 4 -Die Literaturgala

  1. So eine wundervolle Vorstellung, dass du, ausgerechnet du, hier bist: „ Die Frankfurter Buchmesse ist eines der wichtigsten kulturellen Foren in der westlichen Welt. […] Ihr Einfluss besteht gerade in dem freien Austausch von Ideen zwischen vielen Kulturen durch Bücher. Ein solcher Austausch ist für den sozialen Wandel und die Demokratie unerlässlich.“
    Wer sollte hier sein, wenn nicht du!
    Danke für den wertvollen Artikel heute!

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