Geschriebenes

eisblumen

Als ich ihn anschaltete, meinen Computer, stand dort:

Es weihnachtet sehr.

Eine halbe Stunde zuvor las ich in der Zeitung.

Aleppo.

Es weihnachtet sehr.

Wie sich Gedanken um die letzten Geschenke machen,

wenn wir darum wissen, was 3700 km entfernt geschieht.

Und nicht nur da.

Schweigen sie jetzt, die, die meinten, wir sollten die Grenzen schließen.

In Aleppo läuft ein Kind an der Hand der Mutter durch verwüstete Straßen.

Was würde auf seinem Wunschzettel stehen?

Manchmal ist die Welt widersprüchlich, dass es weh tut.

Manchmal wundere ich mich, dass wir weiter den Tisch decken, ihn abräumen,

als wäre nichts.

Es weihnachtet sehr.

Manchmal da würde ich gerne schreiben, doch weiß nicht wie.

Es weihnachtet sehr.

Manchmal, da denke ich, er ist dem näher

als wir unter all den mit Bändern verzierten Paketen vermuten.

 

53 Gedanken zu „Geschriebenes

  1. Kompliment! Du hast gekonnt und voller Poesie zusammengefasst, was viele Menschen immer wieder bewegt: Wie können so viel Leid und so viel Wohlstandsglück so nah beieinander liegen? Ich sehe Menschen aus Aleppo bei der Arbeit, jeden Tag, sie lernen Deutsch bei uns. Freundliche Menschen sind das, ganz normal, und die Jugendlichen … jünger als meine eigenen Kinder. Was haben sie schon gesehen und erlebt? Ich habe keine Antwort, auf nichts. Bin dankbar, dass meine Lieben und ich in Sicherheit sind und genug zu essen haben. Und ich stemme mich gegen AfD und Pegida.

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    • Das tut gut, ich stelle den Beitrag rein, bin unterwegs, komme zurück und schaue nochmal rein und lese eure Zustimmung.
      Es ist so wichtig, was du und andere machen, das sind diese wichtigen Gegenbewegungen.
      Danke für dein Erzählen.

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  2. Für uns hier weihnachtet es jedes Jahr wieder in vertrauter Szene, aber es gibt jedes Jahr irgendwo immer solche Geschehnisse wie jetz in Aleppo; in Indien verhungern die Kinder, in Afrika, Südamerika usw.usf. das Leid, die Armut, die soziale und politische Ungerechtigkeit in der Welt ist unermeßlich und wir sind zu klein und hilflos, dass alles ändern und schultern zu können. Wir können helfen, mit dem, was uns zur Verfügung steht, aber wir können nie alles Leid, alles Unrecht aus der Welt schaffen, wir haben es in geringerem Ausmaß ja sogar vor der Haustür.
    Zudem werden Kinder schon immer medial mißbraucht und vermarktet (in ihrem Leid)und müssen als Mitleidsfaktor dienen, was eine zusätzliche Ungeheuerlichkeit ist.
    Trotzdem möchte ich aber „mein Weihnachten, meinen Frieden, meinen Advent “ hier genießen, mir einmal mehr bewußt werden, wie gut es uns geht und dankbar sein, aber die Welt eine Weile auch mal außen vor lassen, den medialen Bildern aus dem Weg gehen und mich mit dem beschäftigen, was meine Seele braucht und ich komme mir dabei nicht egoistisch vor, weil ich mich auch nicht manipulieren lassen möchte.
    Dem ganzen Unbill ein TROTZDEM entgegensetzen.
    Dir einen lieben Gruß und Dank für Deinen Text
    Karin

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    • Wir dürfen die Augen nicht verschließen vor dem, was in der Welt geschieht und du hast auch recht, wenn du andere Beispiele als Aleppo nennst. Und du hast auch recht, dass wir das nur bedingt ertragen können und auch ein Recht haben, unsere „behütete“ Welt und das Gute in ihr zu sehen.
      Trotz allem gibt es so viel Schönes in der Welt und auch in unserer eigenen kleinen, dass wir nicht vergessen dürfen und wofür wir dankbar sein müssen. Denn genau das ist – wie wir überall sehen – keine Selbstverständlichkeit.
      Trotzdem darf niemand vergessen werden, dem es nicht gut geht.

      Frohe Weihnachten!

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      • Auch dir danke für dein Worte teilen, liebe Anna-Lena. Du hast recht, es gibt das Schöne, das sollten wir auch weiterhin sehen. Zu überlegen, wofür wir dankbar sind, finde ich eine wichtiges Innehalten, das uns diese große Fülle an Leben zeigen kann.
        Dieses Weihnachten mit offenen Augen, von dem ihr hier schreibt, das wünsche ich uns.

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    • Ich finde dieses Trotzdem wichtig, liebe Karin.
      Du hast recht, es ist nicht nur Aleppo, es gibt vieles um uns herum und nicht nur dieses Jahr, das den Widerspruch zeigt zwischen der Überlegung, was wir Heilig Abend kochen und dem, was um uns herum geschieht, manchmal auch vor der Haustüre. In all dem ein Trotzdem, ja, ich finde, das müssen wir leben. Es liegt auch an uns, wie wir Weihnachten gestalten und all die Tage nach Weihnachten. Im Grund feiern wir die Geburt eines Menschen, der auf der Flucht war, der mitten in Armut hinein geboren wurde. Auch da gab es ein Trotzdem.

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  3. Das Leid liegt immer direkt neben dem Wohlergehen, und wenn es nur als Möglichkeit da ist: das Glück könnte brechen, jederzeit. Manchmal ist es besonders krass, wie du eindrucksvoll beschrieben hast. Aber Weihnachten deswegen nicht feiern? es ist ja gerade das Fest unserer Verbundenheit, dem Einzigen, was nicht brechen kann!

    Was wir neben konkreten Hilfsmaßnahmen also immer tun können, ist, uns an diese Verbundenheit mit allen Menschen zu erinnern, und wer glaubt, das sei weniger hilfreich, der kennt die Kraft dieser Verbindung noch nicht. Wir SIND diese Kinder von Aleppo. Allerdings SIND wir auch die Täter. Da liegt die Hemmung, unsere Verbindung wirklich anzuerkennen. Der, an den wir uns an Weihnachten – jedenfalls in seiner Ursprungsbedeutung vor Erfindung der Glühweinstände – erinnern, hat diese Hemmung überwunden.
    Ob das für uns nur eine Legende ist oder ein vorgelebtes Beispiel unserer Möglichkeiten, das muss jeder in sich selbst finden und entscheiden. Aber an Weihnachten kurz drüber nachzudenken, das könnte vielleicht nicht schaden.

    Danke für deinen schönen, nachdenklichen Text,

    Michael

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  4. Hat dies auf blaupause rebloggt und kommentierte:
    Dieser Text ist zwar heute schon ein-oder zweimal rebloggt werden, aber ein weiteres Mal kann nicht schaden. Geschrieben hat ihn
    M a r i b e y – und ich möchte dazu sagen, dass ich es ebenfalls schwer aushaltbar finde, dass in einer Zeit, wo die Menschen Flüge zum Mars planen, es nicht möglich zu sein scheint, 3700 km weiter östlich Menschen vor systematischer Ermordung zu schützen.

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  5. Vergessen wir nicht Libyen, Südsudan, ganz schlimm Jemen, Somalia, Zentralafrikanische Republik, Zimbabwe, Kongo, Burundi, Nigeria, wieder sehr schlimm Afghanistan (angeblich sicheres Land, in dass wir abschieben), Burma, Pakistan, Irak, Kolumbien mit leiser Hoffnung, Mexico fast vergessen usw usf – nur die, die mir gerade einfallen… :-( Wir haben Weihnachten schon vor vielen Jahren abgeschafft und spenden jedes Jahr, ebenso wie viele Bekannte und Freunde.

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    • Ja, auch andere Länder und Orte sollten wir nicht vergessen. Unsere natürliche Tendenz ist ja, je weiter es weg ist, desto weniger lassen wir uns berühren. Und doch ist es alles die eine Welt.
      Du schreibst, dass ihr Weihnachten abgeschafft habt. Ist die Frage, wie wir Weihnachten definieren. Ich verstehe es so, dass ihr es abgeschafft, euch Geschenke zu geben. Stattdessen spendet ihr, das ist in meinen Augen zutiefst weihnachtlich.

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  6. nein, wir können es nicht mehr außen vor lassen, schon gar nicht zur Weihnachtszeit, die doch ein Symbol für Frieden und auch freiheitliches Denken sein sollte. Oder irre ich mich, liebe Marion?
    Wo bleibt es da? Die Menschenwürde wird überall in der Welt mit Füßen getreten und schaudernd nehmen wir es zur Kenntnis.
    Was mir nicht ganz klar ist und da mußt Du mir mal auf die Sprünge helfen:
    *Manchmal, da denke ich, er ist dem näher*
    Wen oder was meinst Du mit ER? Stehe ich auf der Leitung? Würd mich ja nicht wundern…

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    • Du irrst dich nicht in meinen Augen. Weihnachten ist in Kern ganz eng mit Frieden verbunden.
      Mit „er“ meinte ich Jesus, liebe Bruni. Ich dachte an Jesus, dessen Geburt wir an Weihnachten feiern. Ich dachte daran, dass seine Eltern auch auf der Flucht waren, er wurde in einem kleinen Stall geboren. Keine Wickelkommode, keine Babybadewanne, keine Waschmaschine. Ich dachte, was er damals erlebte, ist vermutlich näher an den Erlebnissen in Aleppo dran als an der Situation in unseren blitzblank geputzten Häusern.

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  7. Diese Gedanken bewegen auch mich. Wie du komme ich zu dem Punkt, da Weihnachten mitten hinein geschoben wird. Immer wieder. Unerwartet. Den „Text“ unterbricht. Daran glaube ich. Dass der Sinn von Weihnachten immer wieder unterbrechen kann. Die vielen unglaublichen Kreisläufe.

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  8. Wenn man helfen will, dann findet man auch eine Möglichkeit. Eine gute Idee sind Kinderpatenschaften in der dritten Welt. Damit hilft man nicht nur einem Kind, sondern seinem ganzen Umfeld (dem Dorf, der Region etc.) und verändert auch etwas in den Köpfen der Menschen. Nur wer in einem gewissen Maß gebildet ist, hat die Möglichkeit, sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen und sich nicht blind leiten zu lassen. Natürlich verpflichtet man sich damit zu mehr als nur einem weihnachtlichen Almosen, aber seien wir ehrlich, uns geht es selbst, wenn es uns schlecht geht, viel besser als jedem von ihnen.

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    • Ich verstehe, was du schreibst. Diese Traurigkeit, dieser Widerspruch, diese Bequemheit und dieses Wegschauen.
      Wenn ich die Kommentare lesen, dann tut es mir jedoch nicht weh, mir gibt das Mut. Ich weiß, dass auch diese Kommentare nicht das beenden, was in Aleppo und sonst wo geschieht. Doch ich kann es lesen, es gibt viele Menschen, die handeln, die wünschen, die sich berühren lassen, die spenden, die Ideen haben, die machen. Das finde ich toll. Und wichtig. Großartig im Kleinen. Mutmachend.

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  9. Ein guter Text, liebe Marion ! – Ich frage mich gerade: wo können wir anfangen ? Nur vor unserer eigenen Haustür. Wie gehen wir miteinander um, wieviel Nächstenliebe bringen wir für unsere Nächsten, unsere Familie, unsere Nachbarn auf ? Für die Obdachlosen in unseren Städten, für arme Menschen usw. Mit den oben genannten Aktionen können wir ein klein wenig Einfluss auf das Geschehen in der Welt nehmen. Ich unterschreibe auch immer wieder Petitionen. Das Leid in der Welt werden wir vermutlich nie beenden. Aber bei uns selber anfangen, daß können wir und vielleicht tragen wir damit auch etwas mehr Liebe und Fürsorglichkeit und ein respektvolles Miteinander in die Welt hinaus….ich weiß nur, daß es anderen Menschen nicht hilft, wenn wir selber leiden. Geht es uns gut, können auch wir etwas bewirken, auch wenn man es manchmal für unerträglich halten mag, daß es einem selbst so gut und anderen so schlecht geht. Aber so ist es tagtäglich um uns herum. Mir gehts gut, meiner Freundin gehts schlecht und umgekehrt. Wie gesagt, sorgen wir für ein gutes Miteinander und hoffen wir, daß es ansteckend wirkt. Und dabei werden wir die anderen nicht vergessen !!

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    • Mein Ja zu deinen guten Worten.
      Ich glaube, nur so geht es. Bei uns beginnen und Augen auf und sehen, was auf der Straße los ist, auf der ich mich bewege und offen bleiben, was auf den anderen Straßen los ist. All diese kleinen Möglichkeiten, von denen du schreibst, die haben wir. Das ist mehr als nichts.

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